Samstag, 16. April 2016

BITTE NICHT AUFREGEN

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Hallo. Nach knapp drei Monaten weiß ich nicht so recht, wie man sich begrüßt auf diesem Medium. Ich weiß aber auch gar nicht, ob ich das Hallo an Menschen richte, die dies lesen oder an mein Schreib-Ich, dem ich so lange nicht begegnet bin. Meine Schreibmaschine steht ganz offensiv im Zentrum meines Zimmers, auf meinem Nachttisch, und ist die einzige, die mich in der letzten Zeit dazu gebracht hat, ein paar Sätze außerhalb von Schulkram zu verfassen. Es sind nur Zeilen untereinander, in denen ich chronologisch versuche festzuhalten, was gerade passiert. Es ist sozusagen das kürzeste Manifest einer Zeit zum Abschluss der Bildungsanstalt. Während so viel geschieht und all diese großen Abschlüsse stattfinden, halte ich sonst nämlich nichts mehr fest. Ich halte das Geschehen nicht fest, beziehungsweise nur in den sperrigen meist sehr emotionslosen logbucheintragsartigen-Sätzen mit einem Hauptsatz und einem Nebensatz. Ich halte die Gefühle nicht fest. Ich halte die Erinnerungen nicht fest. Und ich halte den Alltag nicht fest. Weil es ihn nicht mehr gibt. Ich halte am Wecker, an Unterrichtsstunden, an täglicher Interaktion nicht mehr fest. Alles, vielleicht ist das übertrieben, aber zumindest der riesige Großteil in meinem Leben zerfließt sachte und allmählich und ich kann mir und euch wirklich nicht sagen, wie das funktioniert und wie ich das eigentlich finde. Es hört sich ziemlich zerstörerisch an, aber es ist sanft auf eine seltsame Art und Weise. Sanft und kein Problem, an sich. Das mit dem Leben ist nicht so gemeint- wenn ich genau hinschaue, dann realisiere ich, dass es meine Identität ist, die zerfließt, nicht mein Leben (,aber vielleicht ist das auch das gleiche). Ich lege die Rolle als Schüler ab, langsam, denn das passiert durch die Prüfungen nicht ganz abrupt. Ich lege aber diese Rolle ab, diese Maske, diese identitäsgebende Beschäftigung. Und dann ist da nichts. Und ganz viel. So drastisch, wie es sich anhört, ist es auch, ja, aber nicht negativ. Echt nicht.
So oft habe ich auf der Oberschule die Abiturienten in ihren Verkleidungen auf dem Hof und im Gebäude umherrennen und -tanzen sehen und plötzlich soll ich diese Figur sein, die ihr Ende feiert. 
So oft habe ich davon gehört, dass junge Menschen nach ihrem Abitur in ein Loch fallen oder zumindest plötzlich planlos und leer sind. Und urplötzlich, selbst wenn ich noch gar nicht fertig bin, bin ich selbst dieser junge Mensch, der diese Leere begrüßt.
Das zweijährige Punktesammeln und das anschließende Absolvieren von fünf wichtigen Prüfungen ist eigentlich gar nicht die Schwierigkeit. Das passiert einfach. Ich habe die erste Prüfung hinter mir und ich war und bin grundlegend entspannt; darf ich das überhaupt gestehen? Jedenfalls liegt die Herausforderung 3 Kilometer weiter, irgendwo in der Walachei, in dem verwucherten Nichts, auf dem so viel wächst aber nichts fest ist und nichts existiert, sodass dort alles existieren kann. Es ist das ausbreitende Möglichkeitsspektrum und natürlich, wie schon angerissen, die Identitätslosigkeit. 
Es ist Entgrenzung und da ich auf entgrenzende Erfahrungen stehe, habe ich echt kein Problem. Ich habe Spaß. Hallo Spaß. Hallo Leere. Hallo ich-muss-mich-jetzt-suchen-weil-alles-nichts-ist-und-nichts-alles-Freiheit. Hallo hereinstürzende Selbstfindungsnotwendigkeit, ich finde dich ziemlich cool, wie du das so machst. Also dass du mich so dazu bewegst, die Dinge, die Routine, die Rolle fallen zu lassen, ist schon ziemlich wohlwollend, danke.

Ich schmunzele über mich, während ich diesen Text beende. Wie immer. Aber in den letzten Wochen hat sich das verdichtet. Mein Schmunzeln gilt einem Ich, das ich nicht richtig kenne und das es gerade vielleicht auch gar nicht so feststehend gibt. Hallo. Aber eigentlich, wie in dieser Phase so oft, wollte ich ja jetzt Tschüss sagen. 
Hallo Verirrung. Hallo Verwirrung. 




Bitte nicht aufregen.

4 Kommentare:

Greta hat gesagt…

Liebe Lea,
ich hab das letztes Jahr alles durchlebt und eine Sache: Es wird nichts so schlimm wie du denkst und es wird allgemein nichts so wie du denkst.
Außerdem läuft es immer noch weiter, es passiert immer noch alles einfach so. Fast wie in der Schule.
Ich drück dich unbekannterweise,
Greta

Beri hat gesagt…

Liebe Lea,

deine Worte berühren mich sehr. Ich finde, du beschreibst den Übergang in eine neue Lebensphase so treffgenau - für mich passt das nicht nur zum Abi...

Beri

Gerlind hat gesagt…

Hallo Lea! Ich lese Deinen Blog seit der Artikel über Dich in der Zeitschrift "Juno" war. Meine Tochter ist im April 18 geworden und hat auch gerade die Abiturprüfungen hinter sich. Du bist ein sehr außergewöhnliches und tolles Mädchen und durch deine Texte konnte ich meine Tochter häufig besser verstehen bzw. mich in sie und ihre Gefühle hineinversetzen. Danke dafür.

Lea hat gesagt…

Hallo Gerlind. Das berührt mich wirklich und freut mich sehr. Vielen lieben Dank für das lange "Dabeisein" und diese tollen Worte!